Erfahrungsberichte aus Illinois

Bunker Hill: Marcus Voß

Sehr geehrte Damen und Herren, ich schreibe diesen Brief aus Bunker Hill, Illinois in den Vereinigten Staaten von Amerika. Seit Mitte August lebe ich hier zusammen mit der Monetti-Familie, die mich sehr herzlich aufgenommen hat, und besuche die Bunker Hill High School für das aktuelle Schuljahr. Ich bin hier durch das iSt High School Programm. In dem folgenden Brief, möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick in mein amerikanisches Leben, einiges bisher Erlebtes und vielleicht einige Zukunftspläne in Amerika geben. Nachdem ich in Deutschland die letzten Freunde verabschiedet, die letzten Sachen gepackt und die letzte Nacht kaum geschlafen hatte, hieß es für mich früh aufstehen, meine 2 Jahre jüngere Schwester verabschieden, und mich von meinen Eltern zum Flughafen nach Berlin bringen lassen. Die ganze Autofahrt überlegte ich, was mich wohl erwartet. Ich sprach die letzten Worte mit meinen Eltern, überlegte was ich wohl vergessen haben könnte und dachte darüber nach, worauf ich mich da eigentlich eingelassen hatte, und ja, das es jetzt erst recht kein Zurück mehr gibt. Dann am Flughafen wurde das letzte Foto auf deutschem Boden gemacht und den Eltern ein letztes Mal zugewinkt. Auf mich alleine gestellt, bin ich nach Frankfurt geflogen. Dort angekommen, traf ich das erste Mal auf Leute von meiner Austauschorganisation iSt. Zusammen mit 70 anderen iSt-Austauschschülern ging es dann über den Atlantik mit dem Ziel Chicago, Illinois. Etwas verspätet im riesigen Flughafen Chicago durchlief ich dort die vielen Sicherheits-Checks und musste durch die riesige Hallen rennen, um endlich meinen letzten Flug nach St. Louis, Missouri zu kriegen. Schließlich auf dem St. Louis Airport hielt ich dann Ausschau nach meiner Gastmutter Pam. Ich kannte sie nur von einem Bild , auf dem sie eine Sonnenbrille trug. Plötzlich hörte ich dann ein Stimme hinter mir: „Marcus?“ Und da stand sie, meine neue „Mutter“ für die nächsten 10 Monate. Es folgte erstmal eine 45-minütige Autofahrt, auf der ich wegen Aufgeregtheit und Müdigkeit nur verzweifelt englische Sätze zusammenbasteln konnte, und einige Male durch ein: „Pardon?“ nachfragen musste. Dann mein erstes amerikanisches Essen: ironischerweise bei McDonalds. Schließlich hörte ich dann: „Das ist unser Haus!“ Doch da war bis auf einen kleinen Hund namens „Harley“ noch niemand. So fuhr mich Pam erst einmal durch meine neue Heimat Bunker Hill, einem Ort mit ungefähr 2000 Einwohnern in Illinois, ca. 30 Meilen nordöstlich von St. Louis. Dort sah ich zum ersten Mal meine neue Schule, wo gerade das Footballtraining endete. Ich lernte meinen Gastvater Dave, einen der Footballtrainer, und meinem neuen Bruder Mike, einen der Footballspieler in der Schulmannschaft kennen. Außerdem traf ich auf die ersten meiner neuen Mitschüler, die irgendwie schon längst von mir gehört hatten. Doch nach einer kurzen Unterhaltung, ging ich nach mehr als 20 schlaflosen Stunden endlich in mein neues Bett, was dank meiner 2m Körperlänge erst einmal ein wenig kurz war. Die ganze nächste Woche hatte ich dann Zeit mich an meine neue Umgebung zu gewöhnen. Außerdem unternahm ich auch schon die ersten amerikanischen Dinge. Gleich in meiner ersten Woche, noch in den Ferien wurde ich gefragt ob ich nicht Football spielen möchte. Da ich eigentlich sportlich bin, und Lust hatte mal was Neues auszuprobieren, tat ich das dann. Da meine Schule mit nur guten 200 Schülern recht klein ist, war es kein Problem ins Team zu kommen. Außerdem war es auch gut, um neue Kontakte zu knüpfen. So kämpfte ich mich also durch das Footballtraining bei weit über 30°C und keiner einzigen Wolke am Himmel. Nach dem Training, erschöpft und mit haufenweise blauer Flecken, wurde ich zum Pokerspielen eingeladen. Auch das war für mich völlig neu. In der ersten Woche traf ich auf Mikes beste Freunde Timmy und Jordan. Wie sich herausstellen sollte, wurden sie auch meine besten Freunde. Am Ende der Woche ging es dann das Erste mal zur Schule, um mit dem Direktor meinen Stundenplan zusammen zu stellen. Am Montag startete dann die Schule. Es half viel, dass ich schon ein paar Leute kannte, aber viele kannten mich schon, ohne dass sie mich je gesehen hatten. Da die Schule im Grunde genommen nur aus einem langen Gang besteht und meine Körperlänge auch nicht viel half, mich zu „verstecken“, musste ich mit so vielen unbekannten Leuten reden. Viele riefen mir einfach zu: „Hi, Marcus“. Am Ende des Tages fand eine Versammlung in der Sporthalle statt, bei der ich offiziell der ganzen Schule vorgestellt wurde. Nun kannte mich wirklich jeder! An den nun folgenden Tagen sprach mich jeder irgendwie an, stellte sich mir vor und erwartete von mir, dass ich mir sofort seinen Namen merkte. In den letzten Jahren waren nur Mädchen aus Deutschland als Austauschschülerinnen gekommen, deshalb wollten sich besonders die Mädchen mir vorstellen. Und da Mädchen in dieser Schule in der Überzahl waren, und ich mit der Sprache noch ein wenig überfordert war, war das schon ein wenig nervig. Nach der Anfangsphase, nach Überwindung der „Sprachschwierigkeiten“, wurde mir dann das amerikanische Leben vorgestellt: Das fing an mit Bowling, anschließendem Essen bei „Tacobell“, einer mexikanischen Fastfood-Kette, und Walmart. Weiter ging es mit Camping auf der Ladefläche von Pick-up Trucks, „Paintballing“, arbeiten an Autos und vieles mehr. Ein besonderes Ereignis war die Schulveranstaltung „Homecoming“, nach der wir zum Essen in einer Stretch-Limosine gefahren sind. Nachdem ein auch für diese Gegend ungewöhnlich heißer Sommer und damit auch die Footballsaison zu Ende ging (sie war nicht sehr erfolgreich fürs Team, aber ich hatte meinen Spaß in einer für mich komplett neuen Sportart), begann der Herbst und somit die Basketballsaison, auf die ich mich als Basketballfan, schon lange gefreut hatte. Dank meiner Länge und der Tatsache, dass die Schule ziemlich klein ist, war es auch diesmal kein Problem für mich, in das Team aufgenommen zu werden. Die Zeit, die nun folgte, war in punkto Basketball hier eine komplett neue Erfahrung. Da ich in Deutschland in einem guten Team meist auf der Ersatzbank sass, war es neu für mich, in jedem Spiel zu starten. Dann war neu, dass ich anstatt aller 2 Wochen ein Spiel nun jede Woche 2 Spiele hatte. Auch die Atmosphäre bei Spielen an sich war einzigartig. In Deutschland kamen nur mal ein paar Eltern von Spielern zum Zusehen. Hier kommen Hunderte von Zuschauern. Das Schulorchester spielt beim Aufwärmen, was für eine riesige Stimmung sorgt. In Potsdam interessieren sich wenige für Basketballteams und ihre Spieler. Hier passiert es, dass man im Ort angesprochen wird und man bekommt Komplimente von Leuten, zu denen man noch nie Kontakt hatte. Nun nach über 25 Spielen ist die Saison mehr oder weniger erfolgreich beendet. Das Hauptziel, nach einigen desaströsen Jahren endlich mal wieder ein paar mehr Siege einzufahren, ist auf jeden Fall erreicht worden. Und für mich war es einfach nur einzigartig, daran Teil gehabt zu haben. Ebenfalls etwas Besonderes war für mich „Thanksgiving“, eine amerikanische Tradition mit Unmengen von Essen (u. a. der berühmte Truthahn). Für mich war dieses Fest zusammen mit der Familie, die mich so herzlich in ihrem Kreis aufgenommen hat, ein unvergessliches Erlebnis. Es folgten einige Wochen mit Schule, Training, Training und Basketballwettkämpfen. Das erste Weihnachtsfest weit weg von zu Hause verbrachte ich mit meiner „amerikanischen“ Familie, und natürlich wieder reichlich traditionellem amerikanischen Essen. Ein wenig ungewöhnlich für mich endete der Abend in einer Pokerrunde. In den Weihnachtsferien verbrachte ich viel Zeit mit meinen neuen Freunden, auch wurden und werden Zukunftspläne geschmiedet. Der Winter hier ist ungewöhnlich warm, und das Wetter ist unvorraussagbar. Einem Tag mit -5°C folgte mal ein Tag mit 20°C und Sonnenschein in Januar und Februar. Folgen dieser Wetterumschwünge sind z. Zt. Wärmegewitter und Tornados, aber bisher noch nicht in unmittelbarer Nähe. Die Zeit vergeht nun immer schneller, und obwohl ich noch fast 2 Monate meiner Zeit hier vor mir habe, verbreitet jetzt jeder hier und zu Hause schon eine Rückkehrstimmung. Auch ich gerate dadurch jetzt auch immer öfter in eben diese Stimmung, und freue mich auf der einen Seite, dass ich meine Familie und Freunde in Deutschland wieder sehe. Aber auf der anderen Seite macht es mich ein wenig traurig, dass ich meine neue „Familie“ und meine neuen Freunde hier in Bunker Hill verlassen muss, mit denen ich die aufregendste Zeit meines Lebens verbracht habe. In den Frühlingsferien und am Beginn der Sommerferien ist noch ein Trip nach Chicago und dem Westen der USA geplant. Momentan planen meine „neuen“ Freunde einen Sommerurlaub in Deutschland. Sicher ist auch, dass ich irgendwann hierher zurückkommen werde. Ich werde, auch wenn die Kontakte dann doch irgendwann abbrechen sollten, meine Zeit hier wahrscheinlich nie vergessen. Nochmals vielen Dank, dass ich auch mit Ihrer Unterstützung diese Erfahrungen machen kann. Mit freundlichen Grüßen Marcus Voß Bunker Hill, Illinois

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