Erfahrungsberichte aus Invercargill

James Hargest College: Svenja J.

Von Kiwis, Herr der Ringe und Schuluniformen Mein letzter Tag in Deutschland. Ich konnte es nicht glauben. Die letzte Zeit ist einfach viel zu schnell vorbei gegangen. Doch der letzte Tag hatte es in sich. Nachdem ich erfolgreich meine letzte Stunde im Matheunterricht geschafft hatte, wurde ich zu Hause von meinem Kamerateam, welches mich für eine Woche in Neuseeland für die Serie „Auf und davon- mein Auslandstagebuch“ begleitet hat, überrascht. Das Filmen konnte beginnen. Durch all den Stress mit den Aufnahmen, vergaßen wir die Zeit. Es war bereits 18 Uhr, da merkten wir, dass wir schon viel zu spät dran waren. Schnell wurde alles eingeladen und das war auch das letzte Mal, dass ich meine Freunde im Arm hatte. Der Abschied viel mir sehr schwer. Doch wir schworen uns, für immer beste Freundinnen zu sein. Langsam wird mir klar, dass Neuseeland kein Traum mehr ist, sondern bald der Realität entsprechen wird: die Schuluniform, Englisch, Kiwis. Doch alles ist noch 30 Flugstunden entfernt. Am Flughafen verbringe ich dann meine letzten Stunden in Deutschland mit meiner Familie, insbesondere mit meiner Schwester. Zusammen amüsierten wir uns mit der Tagebuchkamera von „Auf und davon.“ Essen kann ich schon lange nichts mehr – viel zu groß ist die Aufregung. Die Stunden vergehen wie im Flug und dann ist es auch schon so weit: der Abschied ist gekommen. Noch schnell einmal alle in den Arm schließen und dann verschwinde ich in der Abflughalle. Dort treffe ich andere Austauschschüler wieder, die auch Neuseeland als Ziel haben. Ich knüpfe Kontakt mit ihnen, tausche Ängste, Erwartungen aus und natürlich sehe ich auch Cara. Wir kennen uns schon von einem Vorbereitungskurs und werden in unserer ersten Woche in Wellington zusammen in einer Familie leben. Nun wird es langsam ernst. Alle schauen auf die Uhr. Die letzten Minuten in Deutschland... und dann steigen wir ins Flugzeug ein. Und ich weiß, wenn ich wieder aus dem Flugzeug aussteige, werde ich schon weit von Deutschland, von Familie und Freunden sein. Der lange Flug geht schnell vorbei. Nach etwa 30 Stunden in der Luft, inklusive Zwischenstopp in Singapur und Auckland erreichen wir, ein bisschen müde, die Hauptstadt Neuseelands, Wellington. Gleich geht es mit unserer Betreuerin zu unserem „Campbell Institute“, in dem wir für die kommende Woche in Englisch auf unseren Aufenthalt vorbereitet werden. Nach einer kurzen Wartezeit ist es dann endlich soweit: wir lernen unsere Gastmutter kennen. Ein bisschen Angst habe ich schon. Ich habe noch nie jemanden sprechen hören, der wirklich Englisch als Muttersprache spricht. Werde ich alles verstehen und wie schwer ist der Kulturschock? Werde ich mich wirklich an alles gewöhnen? Doch mir fiel ein großer Stein vom Herzen, als ich Luisa, meine Gastmutter kennen lernte. Meine Erwartungen wurden erfüllt. Die Kiwis sind sehr nett und hilfsbereit. Der erste Eindruck von Neuseeland war mehr als positiv. Wellinton wirkt wie meine Traumstadt. Und erst die Landschaft. Vegetation wie in einem Urwald, so etwas hatte ich noch nie in meinem Leben zuvor gesehen. Nach 20 Minuten mit dem Auto erreichen wir Lower Hutt, einen Stadtteil von Wellington. Uns fällt schnell auf, dass es einige Unterschiede zwischen Deutschland und Neuseeland gibt: das Essen schmeckt wirklich gut. Es ist typisch neuseeländisch. Süße Kartoffeln mit Kartoffelbrei und viel Gemüse. Den Abend verbringen wir noch mit dem ersten Blick ins neuseeländische Fernsehen. Das Wochenende ging schnell vorbei. Nun heißt es Schule und etwas lernen. Doch der Vorbereitungskurs in Wellington war keine Schule. Uns machte der Unterricht am Vormittag Spaß, denn wir lernten wichtige Sachen über das Leben in Neuseeland, wie zum Beispiel etwas über die Maori Kultur, typische neuseeländische Wörter und Ausdrücke, etwas über das Schulsystem und vieles mehr. Am Nachmittag hatten wir dann ein Programm. Wir machten Ausflüge, wie zum Beispiel zum Museum Te Papa. Dort lernten wir einen echten Maori kennen. Wir machten Rock Climbing, schauten einen Film „The Whale Rider“ und hatten natürlich jede Menge Spaß. Leider ging auch diese Woche schnell vorbei. Der Abschied von meiner Gastmutter, von Wellington und natürlich von Cara, war grausam. Jetzt musste ich wirklich alleine weiter fliegen, auf eigenen Beinen stehen und neue Freunde finden. Ich hatte jetzt keine deutsche Freundin mehr, mit der ich mich in schlechten Zeiten auf Deutsch verständigen konnte. Nach etwa zwei Stunden kam ich dann in der südlichsten Stadt Neuseelands an: Invercargill. Doch wer wird mich vom Flughafen abholen? Wissen die eigentlich, wie ich aussehe? Werde ich mich mit meiner Gastfamilie verstehen? Werden meine Gastschwester und ich Freundinnen? Das waren alles wichtige Fragen. Das erste Problem wurde auch schon gleich gelöst. Jenny Elder, die Beauftragte für die Austauschschüler meiner Schule erkannte mich gleich und zeigte mir meine Gastfamilie: das waren mein Gastvater John und meine Gastschwester Hannah, die auch so alt war wie ich. Am Montag ging es dann zu meiner Schule, das James Hargest College. Nachdem ich meine Schuluniform, das ist eine Bluse mit Krawatte mit einem Pullover, dazu einen Kilt mit sehr schweren Schuhen und hohen braunen Strümpfen, bekommen hatte, besprach ich mit Jenny den Stundenplan. Ich war regelrecht geschockt, als ich erfuhr, dass ich die Fächer Latein, Französisch, Englisch, Outdoor Education, Fashion & Design und Kunst besuchen würde. Die ersten Tage in der Schule waren hart. Man bekommt kaum den Unterricht mit, verläuft sich ständig in der zu großen Schule und weiß nicht, zu wem man in den Pausen hin gehen kann. Doch ich fand schnell Anschluss. Und als dann auch noch das Kamerateam mich in meiner zweiten Schulwoche für eine Woche begleitete, lernte ich Neuseeland besser kennen. So ermöglichten sie mir einen Ritt auf einem echten Herr der Ringe Pferd am Strand, eine Bootsfahrt durch den See Hauroko oder Schafe scheren auf einer Farm. Doch obwohl ich jetzt schon einige Wochen bei Familie Knight wohnte, fühlte ich mich immer noch wie ein Gast und nicht in den Familienalltag mit einbezogen. Ich suchte deshalb das Gespräch mit Jenny Elder, meiner Betreuerin. Als mich eine Lehrerin meiner Schule, die mich für eine Woche aufnehmen könnte, kennenlernen wollte, wusste ich von Anfang an, dass ihre Familie und ich auf einer Wellenlänge waren. Die Familie lebt auf einer Farm mit Hühnern, Katzen und einem Pferd in Riverton, einem kleinen Ort 40 km von Invercargill entfernt. Am Ende der Woche schlug Familie Corbin vor, dass ich ganz bei ihnen einziehen dürfte und am folgenden Tag wechselte ich dauerhaft zu ihnen. Meine jetzige Familie, zu der auch noch zwei liebevolle Omas gehörten, kümmerte sich glänzend um mich, auch als ich zwei Wochen lang krank war. Sie erfüllten mir außerdem meinen Traum, den berühmten Fiord „Milford Sound“ zu besuchen und dort Delfine zu sehen. Die Corbins überraschten mich sogar mit einem Geburtstagskuchen und einem Geschenk für mich, obwohl ich noch gar nicht Geburtstag hatte. Doch es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass jemand an dich denkt. An dem folgenden Tag war mein letzter Schultag. Die Stimmung war bedrückt, wusste doch jeder, dass dies der letzte Tag war. Nach dem Abschied fuhr ich zu meiner neuen Familie, denn die Corbins konnten mich nicht mehr länger aufnehmen. Ich entschied mich, noch drei Tage bei meiner Freundin Henry zu verbringen. In diesen Tagen fuhren wir nach Arrowtown, wo wir eine Dorfbesichtigung machten. Am folgenden Tag war mein Geburtstag. Und auch diese Familie hatte an mich gedacht: sie schenkten mir diesen Tag. Erst fuhren wir mit der Gondel hoch auf einen Berg über Queenstown, wo wir zu Mittag aßen. Dann besichtigten wir später „Deer Park Heights“, wo wir weitere „Herr der Ringe“ Drehorte besichtigten. Ich sah genau die Stelle, wo Aragon nach Rohan reitet oder wo Gimli vom Pferd fällt. Dass ich Gastfreundschaft wie in meiner Riverton Familie oder dieser Familie erleben durfte, war ein Geschenk, für das ich sehr dankbar bin. Danach besuchte ich meine letzte Familie auf Stewart Island. Nach einer einstündigen Fahrt auf der Fähre lernte ich Ron und Raylene kennen, die mich für meine Zeit auf Stewart Island aufnahmen. In diesen Tagen machte ich eine Bustour und lernte erst einmal die Insel kennen, dann machte ich einen Tagesausflug zu Ulva Island und sah wohl Vögel, die es anderswo so nicht in Neuseeland gibt. Am letzten Tag unternahm ich eine Unterwasser Entdecker Tour und sah Fische und Meerespflanzen. Doch den einen Kiwi, - den Vogel - sah ich leider nicht, obwohl meine Gastfamilie und ich alles versuchten, um ihn mal einmal vor die Linse zu locken. Doch auch dieses Abenteuer ging vorbei. Meinen letzten Tag verbrachte ich mit meiner Riverton Oma in Invercargill. Und ich genoss noch einmal alles, was typisch neuseeländisch ist: die heißen Schokoladen, die großen Schokokekse, die süßen Kartoffeln, Scones und vieles mehr. Nun bin ich traurig, dass alles doch so schnell vorbei gegangen ist. Doch was bleibt, sind Erinnerungen. Ich machte gute und schlechte Erfahrungen, aus denen ich viel gelernt habe. Eines Tages werde ich nach Neuseeland zurückkehren und meine Familien und Freunde wiedertreffen, zu denen ich Kontakt halten werde. Svenja Johannes James Hargest College, Invercargill 2007

Weitere Erfahrungsberichte aus Invercargill