Erfahrungsberichte aus Paraparaumu

Kapiti College: Kai B.

Sich zu entschließen ein Schuljahr im Ausland zu verbringen, ist für fast jeden eine große Entscheidung. Man muss sich im Klaren sein, dass man seine Familie, seine Freunde und seine gewohnte Umgebung für ein Jahr nicht sehen wird. Außerdem, dass man für ein Jahr eine andere Schule besuchen, komplett neue Mitschüler kennen lernen wird und mit ihnen auskommen muss. Es sollte genau überlegt sein, aus welchen Gründen man einen Austausch machen will. Es ist auf keinen Fall ein Jahr Urlaub, im Gegenteil. Anfangs wird es sogar schwerer sein als gedacht. Aber nach geraumer Zeit wird sich das wieder einpendeln.
Man entscheidet sich nicht von heute auf morgen: „ Ja, klar. Ich mache das“ und am nächsten Tag geht die Reise los. Meine Vorbereitungen haben fast die komplette 10. Klasse angedauert. Manche Dinge, wie z.B. das Visum beantragen, dauerten schon mehrere Wochen. Der erste Schritt ist immer der schwerste: sich zu entschließen und zu sagen: „Ja, ich will ein Jahr ins Ausland gehen“. Von dort an ist es ein Haufen „Papierkram“.
Ich habe mich entschieden, mich von einer Organisation betreuten zu lassen. Als erstes habe ich ein Land ausgewählt. Es kommt auf jeden individuell an, für welches Land er oder sie sich entscheidet. Ein Grund kann sein, dass man das Land bereits kennt oder umgekehrt, dass man es noch nicht kennt und gerne kennen lernen möchte. Man sollte allerdings beachten, dass die Aufenthalte in den verschiedenen Ländern preislich variieren.
Wenn man in ein Englisch sprechendes Land möchte, bietet sich das United Kingdom besonders an, denn an kann in den Schulferien leicht nach Hause reisen oder die Eltern können einen besuchen kommen. Ich persönlich habe mich für Neuseeland entschieden. Von hier aus sind Besuche nach Deutschland aufgrund eines knapp fünfundzwanzigstündigen Fluges und über 18.000 Kilometern Entfernung nicht ganz so oft möglich.
Wenn man sich für ein Land entschieden hat, trifft man sich mit einer verantwortlichen Person der Organisation, die einem die weiteren Schritte erklärt und persönliche Fragen beantwortet. Das Gespräch wird sogar teilweise in englischer Sprache geführt.
Um eine geeignete Schule zu finden, verlangt die Organisation auch Angaben über Hobbys und andere Freizeitbeschäftigungen.
Mir wurden Informationen über drei Schulen zugesandt, unter denen ich mir eine aussuchen musste. Ich habe angegeben, dass ich Golf spiele und dies auch gerne weiterhin machen würde. Mir wurden fast nur Schulen mit einem nahe gelegen Golfplatz zur Auswahl geboten.
Als letztes musste ich nur noch Formulare für das Visum und die Versicherung ausfüllen und an die Organisation zurückschicken. Dann wurde ich von meiner Organisation zu einem „Vorbereitungs-Seminar“ nach Frankfurt eingeladen. Dort waren viele andere Jungendliche, die auch nach Neuseeland fliegen wollten. Das Treffen wurde von so genannten „Returnees“ geleitet. Dies sind Jugendliche, die schon einmal in Neuseeland waren. Sie haben uns Bilder gezeigt und Fragen beantwortet, die das Land und die Schulen betreffen. Es war eine gute Gelegenheit schon einmal einige der Leute kennen zu lernen, mit denen man bald ein Jahr zusammen sein würde. Anschließend hieß es nur noch warten. Mein Flug ging am 6. Juli 2006 vom Flughafen Frankfurt. Am Flughafen/im Flugzeug habe ich fast alle Jugendliche von dem Vorbereitungs-Seminar wieder getroffen. In Wellington angekommen hatten wir erst einmal eine so genannte Einführungswoche. Wir wurden in Gruppen aus jeweils 7 Schülern bestehend eingeteilt. Dann erzählte man uns über die Geschichte des Landes und zeigte uns ein paar nützliche englische Vokabeln.
Nachmittags unternahmen wir meistens Ausflüge, wie z.B. zu einem Planetarium oder zu einer Kletterhalle. Es war wirklich eine super Zeit.
Am Ende dieser Einführungswoche wurden wir dann zu unseren zukünftigen Schulen gebracht. Einen Tag danach hatte ich meinen ersten Schultag in Neuseeland. Allen neu angekommen Schülern aus dem Ausland (International Students) wurden die Schule und ihre Umgebung gezeigt. Wir wählten unsere Fächer und sprachen mit verschiedenen Leuten wie z.B. dem Direktor oder dem Verantwortlichen für die International Students. Am nächsten Tag ging ich dann das erste Mal in den Unterricht. Es war schon etwas komisch. Ich betrat den Unterrichtssaal und die komplette Klasse starte mich an. Hinzu kam noch, dass ich noch keine Schuluniform bekommen hatte. Man denkt sich immer: „Mist, da muss ich so eine bescheuerte Uniform anziehen.“ Aber wenn man in seiner Stufe der Einzige ist, der noch keine Uniform hat, dann will man doch schnellstens eine haben. Im Nachhinein fand ich die Uniform sogar gut. Meine erste Schulstunde war Mathematik. Es überraschte mich, dass ich so wenig verstand. Jedoch lag das viel mehr an den ganzen mathematischen Ausdrücken, als an der Geschwindigkeit, in der die Lehrerin englisch sprach. Die Lehrerin gab der Klasse eine Aufgabe und kam dann zu mir. Sie meinte, dass es gar kein Problem sei, wenn ich am Anfang nicht mitkäme. Ich solle einfach alles von der Tafel abschreiben und es mir daheim noch mal anschauen. Das war dann eigentlich in allen Fächern so. Oftmals erklärten die Lehrer auch etwas drei oder sogar vier Mal, wenn es nötig war. Die Lehrer dort wissen, in welcher Situation man sich als Austauschschüler befindet und verlangen nicht, dass man gleich von Anfang an zu 100 Prozent im Unterricht mitarbeitet.
Das Schulsystem in Neuseeland ist im Vergleich zum deutschen Schulsystem komplett anders. Ein Schultag beginnt 8.55 Uhr und endet um 15.30 Uhr. Man hat 5 Schulstunden pro Tag à 60 Minuten. Nach der 1. Stunde hat man ein Fach, welches sich „Form Time“ nennt. Es ähnelt der Klassenlehrer-Stunde in Deutschland und dauert 25 Minuten. Danach ist eine 25-minütige Pause (Intervall), auf welche 2 weitere Unterrichtsstunden folgen. Da es in Neuseeland nur Ganztagsschulen gibt, isst man während der 45-minütigen Mittagspause (Lunchtime) in der Schulkantine. Nach dem Mittagessen hat man noch einmal 2 weitere Unterrichtsstunden. Insgesamt hat man 6 verschiedene Fächer. Pro Tag aber hat man 5 Stunden, welche immer einem bestimmten System folgen:
Wenn man z.B. am 1. Tag in der 1. Stunde Englisch hat, so hat man es am 2. Tag in der 2. Stunde. Sobald ein Fach auf die letzte 5. Stunde fällt, fällt es am nächsten Tag aus und taucht erst Tags darauf wieder in der 1. Stunde auf. Dann beginnt das System von neuem. Ich wählte folgende Fächer: Englisch, Französisch, Chemie, Biologie, Mathematik und Physik. Das System hört sich sehr kompliziert an. Wenn man es einmal verstanden hat, ist es ziemlich einfach und praktisch. Jeder Schüler bekommt zur Unterstützung ein kleines Buch, welches Log Book heißt. Es dient zum einen als Notizbuch, zum anderen als Kalender und Stundenplan. Des Weiteren gibt es ein vielfältiges Fächerangebot. Es reicht von uns bekannten Fächern wie Biologie, über Tourismus, bis hin zu Golf. Man kann frei entscheiden, welche Fächer man wählt. Die Wahl sollte jedoch mit der Schule zuhause abgesprochen sein, damit man nach dem Austauschjahr problemlos die Schule im Heimatland fortsetzen kann. Als Austauschschüler lebt man zusammen mit einer Gastfamilie. Die Familien und ihre private, familiäre oder finanzielle Situation können komplett unterschiedlich sein, wie in Deutschland auch. Die Schule versucht eine Gastfamilie zu finden, welche gut zu einem passt. Leider klappt dies nicht immer. Zum Glück ist es überhaupt kein Problem seine Gastfamilie zu wechseln, wenn man mit ihr unzufrieden ist. In der Schule gibt es in der Regel einen Ansprechpartner, der für die Unterkünfte der International Students verantwortlich ist. Man meldet sich einfach bei der entsprechenden Person und teilt ihr/ihm mit, dass man gerne seine Gastfamilie wechseln möchte. Wichtig ist auch, den Grund zu nennen, wegen dem man die Familie wechseln möchte. Ohne diese Angaben wird es schwer, etwas Besseres zu finden. Ich habe auch schon einen Wechsel hinter mir. In meiner neuen Familie bin ich nun sehr glücklich. Man braucht sich nicht zu schämen wenn man die Familie wechseln möchte. Ich kenne eine Schülerin, welche schon fünfmal gewechselt hat. Natürlich sollte man nicht wegen Kleinigkeiten wechseln und lieber noch mal ein paar Nächte über die Entscheidung schlafen. Es gibt sicherlich einige, die sich denken: „Das wird so schwer da Freunde zu finden und ich spreche ja eine ganz andere Sprache.“ Dazu kann ich nur sagen, dass man einfach auf die Leute zugehen muss. Die meisten Mitschüler waren sehr interessiert, wenn man erst einmal in ein Gespräch verwickelt war. Sie wollten alles wissen, wie das so ist in „Germany“. Wenn man sagt, dass man aus Deutschland kommt, wird man oft gefragt, ob es stimme, dass es auf unseren Autobahnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung gäbe. Außerdem wurde ich in den ersten Wochen oft nach deutschen Schimpfwörtern und Beleidigungen gefragt, welche bald bei den Schülern Einzug in deren Sprachgebrauch fanden.
Eine weitere Möglichkeit neue Freunde zu finden ist, sich in Schulmannschaften zu integrieren. Ich trat dem Rugbyteam bei und knapp eine Woche später kannte ich viele Leute. Schnell wurde ich gefragt, ob ich mit auf eine Party will und ehe man sich versieht, kennt man wieder neue Leute. Sobald es sich einmal herumgesprochen hat, dass man eigentlich „cool“ und „nett“ ist, kommen Leute dann auch auf einen zu. Mir ist generell aufgefallen, dass die Leute in diesem Land sehr nett sind. Ich wurde von den Gasteltern eines deutschen Freundes sogar zu einem Jagdausflug eingeladen und übernachte auch heute noch ab und zu bei ihnen. Es gibt auch die Option zu sagen, dass man nur für ein halbes oder sogar nur für ein viertel Jahr ins Ausland geht. Ich kann nur sagen, dass die Zeit wirklich schnell vorbei geht.
So ein Austauschjahr kann für alle Schulabgänger von Nutzen sein. Ich habe hier ein Mädchen kennen gelernt, das in Deutschland seinen Realabschluss gemacht hat und demnächst eine Ausbildung im Steigenberger Hotel in Düsseldorf beginnt. Es lohnt sich für viele Berufe eine oder mehrere Fremdsprachen gut zu beherrschen. Mir hat der Austausch nicht nur enorm etwas für meine Englisch Kenntnisse gebracht: Ich habe viele neue und schöne Dinge gesehen und ausprobiert, einen Haufen neuer Freunde aus über 8 verschieden Ländern gefunden, hatte unendlich viel Spaß und habe gesehen wie es ist, einmal in einem anderen Land zu leben. Ich bereue es nicht, dass ich mich für diesen Austausch entschieden habe, im Gegenteil! Kai Bihler Kapiti College, Paraparaumu, New Zealand

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