Erfahrungsberichte aus Quebec

Saint-Martin de Beauce: Victor Schnautz

Hallo an alle die sich mit dem Gedanken herumschlagen, oder die schon entschieden haben, ein Auslandsjahr zu machen, ob in Québec oder auch woanders. Ich kann Euch natürlich nicht sagen, was für Euch gut oder empfehlenswert wäre, aber ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass mein Auslandsjahr das Beste ist, was ich je in meinem Leben gemacht habe. Dafür sprechen mehrere Aspekte: erstens nämlich, dass man für sich selbst verantwortlich ist dort «drüben», das heist man muss selber auf sein Geld aufpassen, man ist selber dafür zuständig, Anschluss zu finden und die Sprache zu sprechen. Ich persönlich habe mich für die kanadische Provinz Québec entschieden, da ich selber Franzose bin (meine Mutter ist Pariserin), und ich sogar auf dem Französischen Gymnasium Berlin bin, also die französische Sprache mir sehr vertraut ist. Sobald ich mich entschieden hatte, nach Québec zu gehen, und die Zusage von iSt hatte, habe ich angefangen, mich ausgiebig mit der Kultur und dem Land auseinanderzusetzen, teils durch Literatur, teils durch Videos im Internet. Ich war sofort fasziniert von diesem Volk, das es geschafft hatte, so viele Kriege und Krisen zu überstehen, und trotzdem noch so weit oben in der Liga mitspielt. Beim Vorbereitungstreffen in Frankfurt am Main habe ich dann die anderen Teilnehmer kennengelernt, und mich mit vielen angefreundet. Dabei hat mir natürlich das großartige Team bestehend aus sogenannten «Returnees», also ehemaligen Teilnehmern, geholfen, die uns ihre Erlebnisse unzensiert geschildert haben. Dann musste ich langsam anfangen, Abschied zu nehmen von meiner Familie, meinen Freunden und von meinem bisherigen Leben. Das ist mir ehrlich gesagt überhaupt nicht schwer gefallen, schließlich war es mein Entschluss und mein Wunsch gewesen, ein Jahr woanders zu verbringen. Ich habe erst kurz vor meiner Abreise mitgeteilt bekommen, wo ich denn letztendlich hinkommen würde, nämlich zu einer 71-jährigen Frau im Süden von Québec, in ein Dorf von 2.500 Einwohnern. Ich als gebürtiger Berliner fand dies natürlich erstmal etwas befremdlich, aber es hat sich letztendlich als Glückstreffer herausgestellt. Der Flug verlief sehr gut, es war wirklich lustig mit den anderen Teilnehmern in dieses uns unbekannte Land zu fliegen. Bei meiner Ankunft wusste ich sofort, dass ich eine tolle Gastfamilie bekommen hatte. Meine Gastmutter lebt alleine in diesem Dorf, Saint-Martin de Beauce, in einem riesigen Haus, und hat mich als einen der Ihren empfangen. Die Familie hat mich sofort integriert, ohne daran zu denken, dass wir uns erst ein paar Tage kannten, und ich habe mit ihnen noch ein paar super schöne restliche Ferientage verbracht. Das Orientierungscamp war lustig, wenn auch etwas chaotisch, da es das erste Jahr war, in dem nicht alle Auslandsschüler in Montréal waren. Als dann die Schule angefangen hat, war mir klar, dass ich offen sein müsste, um schnell den Anschluss zu finden. Was ich letztendlich erlebt, übertrifft glaube ich alle Träume eines Auslandsschülers: innerhalb der ersten Wochen wurde ich erst in das Schulparlament gewählt (vergleichbar mit der deutschen Schülervertretung, aber offizieller), um dann ein paar Wochen später als der erste ausländische Premierminister des Schulparlaments (vergleichbar mit dem deutschen Schulsprecher) in die kanadische Geschichte einzugehen. Ich habe mich außerdem in das interskolare Footballteam eingeschrieben, und habe dort die Saison mitgespielt, um dann, als die Saison vorüber war, in das Basketballteam einzutreten. Ich habe diese beiden Sportarten erst dort drüben für mich entdeckt. In der Zwischenzeit bin ich natürlich, wie jeder andere Auslandsschüler, etwas gewichtiger geworden (und größer). Schuld daran war natürlich das super leckere Essen meiner Gastmutter Marcelle. Ich habe durch die verschiedenen Aktivitäten viele Freunde gefunden, die ich auch beibehalten habe bis heute. Mein bester Freund war mein Basketball-Trainer, Dave, der selber 19 Jahre alt ist und ein Auto hat. Zusammen haben wir viele schöne Dinge erlebt. Mit im Bunde war auch der stets für einen Scherz zu habene Tony. Wir waren überall als das unzertrennliche Trio bekannt. Im November habe ich an einer Reise teilgenommen, die mich und 15 andere Schüler meiner Schule in das kanadische Parlament geführt hat, wo wir an einem Programm für junge Kanadier teilgenommen haben für die politische Aufklärung. Ich habe dort Freunde aus ganz Kanada gefunden, aus allen Teilen dieses so tollen Landes. Ich habe bis heute noch offene Einladungen zu ihnen nach Hause. Die langen Winterabende habe ich meistens entweder auf dem Eis oder in dem Eisstadion mit meinen Freunden verbracht. Es war eine tolle Zeit. Die Schule lief bei mir immer sehr gut, der Unterricht war nicht sehr anspruchsvoll, das umso besser war, da ich mich besser auf meine Freizeit konzentrieren konnte. Im April 2011 bin ich dann für drei Wochen mit meiner Gastmutter und ihrem Bruder nach Florida gefahren, haben also die ganze Ostküste der USA mit dem Auto bewältigt. Es war wundervoll! Diese Zeit hat mich sehr geprägt, insofern als dass ich nun behaupten kann die ganze Ostküste der USA und weite Teile des östlichen Kanadas während meines Aufenthaltes gesehen zu haben. Dann habe ich noch an der New York-Reise meiner Schule teilgenommen, die ich sehr genossen habe. Wir waren 4 Tage in dieser wundervollen Stadt die nie schläft, und ehrlich gesagt, es war ein tolles Erlebnis! Dann war eine Woche später mein Abschlussball, meine «Prom», ein wirklich unbeschreiblich tolles Erlebnis. Unbeschreiblich im Sinne von total unbekannt. Dann war auch schon wieder der Zeitpunkt gekommen, auf Wiedersehen zu sagen, ungewiss ob ich alle noch einmal wiedersehen werde. Nun bin ich wieder in Berlin, bei meiner ersten Familie, meinen alten Freunden, und inmitten meines alten Lebens. Ob ich Québec vermisse wollen viele wissen? Es ist, als ob eine Hälfte von mir dort geblieben wäre, und darauf wartet, geholt zu werden. Eines Tages, wahrscheinlich nächstes Jahr, werde ich sie holen gehen. Victor Schnautz Saint-Martin de Beauce, Québec PS: Ohne Euch Juba, Amélie und Stefanie wäre das Auslandsjahr viel langweiliger gewesen, vor allem der Matheunterricht.

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