Erfahrungsberichte aus Maryland

Bethesda: Alicia Wostal

Alles begann am 1. Januar, als ich Freunden von Freunden meiner Familie eine Mail schrieb und ihnen von meinen Plänen ein halbes Jahr in den USA zu verbringen berichtete – mit dem Hintergedanken, dass sie meine Gastfamilie werden sollten. Schnell waren sie neugierig und sagten mir zu und somit ging meine Reise am 22. August los. Natürlich war ich sehr aufgeregt, doch mit dem Wissen, dass ich nach Washington D.C. kommen würde und mit der Versicherung unserer Freunde, dass sowohl D.C., als auch die Familie traumhaft sein sollten, entwickelte sich die Aufregung mehr und mehr zur Vorfreude.

Gleich vom ersten Tag an nahm mich die gesamte Familie, die aus den Eltern Margo und Greg, dem 18 jährigen Sohn Reid, der 15-jährigen Tochter Kalli und den zwei Katzen Champ und Striker bestand, sehr herzlich auf und ich fühle mich gleich willkommen. Das Haus der Familie war traumhaft schön, denn es war unheimlich groß, hatte einen Pool, einen riesigen Garten vor und auch hinter dem Haus, einen Whirlpool und sogar einen eigenen Tennisplatz hinter dem Haus. Das Haus liegt in Bethesdam was ein Vorort von D.C. ist und durch großzügige Häuser geprägt wird, da sich dort viele Botschafter samt Familien niedergelassen haben.

Der nächste aufregende Moment, war der erste Schultag an meiner neuen Schule: der Walt Whitman High School. Schon beim ersten Betreten wurde ich von der Größe der Schule überwältigt. Anfangs war es ziemlich schwer die Klassenräume im kompliziert gebauten Schulgebäude zu finden, doch bei insgesamt über 2000 Schülern und vielen hilfsbereiten Lehrern, fand sich immer jemand, der mir den Weg zeigte.

Schnell wurde mir klar, dass amerikanische und deutsche Schulen sehr verschieden sind. In Amerika haben zum Beispiel nicht die Klassen, sondern die Lehrer einen festen Raum, den sie auch selbst nach ihren Vorstellungen gestalten können. So kam es, dass z.B. meine Mathelehrerin Fotos von ihrer Familie und kleine Comic Figuren ihres Sohnes im Klassenzimmer verstreut hatte.

Sehr gewöhnungsbedürftig war auch, dass sich mein Stundenplan nicht wöchentlich, sondern täglich wiederholte. So begann ich jeden Schultag um 7.25 Uhr mit Englisch und beendete ihn nach 7 Schul- und einer Lunchstunde um 14.10 mit Chemie. Das Vorurteil, dass amerikanische Schulen viel zu einfach wären, konnte ich an meiner Schule überhaupt nicht bestätigen, denn zum Einen müssen die Schüler jedes Jahr ein höheres Level wählen, und zum Anderen hatte ich jede Woche mehrere Tests, nicht selten auch drei an einem Tag. Gegen meine Erwartungen waren diese Tests nicht multiple choice, sondern genau so ausführliche Schreibarbeit, wie in Berlin. Die mündliche Mitarbeit zählt in Amerika zwar nicht so viel, wie in Deutschland, doch mit zahlreichen Rollenspielen und Klassendiskussionen wurde man angeregt, dem Unterricht aufmerksam zu folgen.

Meine High School war, wie die meisten Schulen, sehr gut ausgestattet, d.h. jeder Klassenraum hatte einen eigenen OH-Projektor, Fernseher mit DVD-Player, Beamer, Computer und auf dem Schulgelände gab es viele Sportmöglichkeiten (Football, Tennis, Baseball, Softball, Fußball, Rudern, Laufen uvm.), für die es jeweilige Teams gab, für die nut die besten Schüler ausgewählt wurden, um dann mit anderen Schulen zu konkurrieren.

Eins der positivsten Dinge an meiner Schule waren die Lehrer, die im Unterricht hilfsbereit und freundlich waren, doch auch nach Unterrichtsschluss immer für freundschaftliche Gespräche zu haben waren. Von Anfang an viel es mir sehr leicht, mich in den Schulalltag einzuleben, denn sowohl die Lehrer, als auch die Schüler brachten mir viel Interesse an Berlin und mir selbst entgegen. Was mich wunderte war, dass fast alle einwandfrei über meine Heimat Bescheid wussten, was ich nach Amerika-Berichten meiner Freunde nicht erwartet hatte.

Ich habe es sehr genossen, dass es an meiner High School einen großen „School Spirit“ gab, der sich z.B. zeigte, wenn unsere Football Mannschaft ein Spiel hatte und das ganze Team seine Trikots trug, die Schule mit Anfeuerungs-Plakaten geschmückt waren, die Lehrer am Spieltag ein T-Shirt mit der Aufschrift „Whitman Game Day“ trugen und Cheerleader, Marching Band und Fans zusammen kamen, um die Mannschaft anzufeuern. In Amerika ist es üblich, dass jede Schule ein Maskottchen hat, das bei den Sportevents für gute Stimmung sorgt und so motivierte uns jedes Mal ein Wikinger (Walt Whitman Vikings) zum Anfeuern.

Es gab an meiner Schule keine Schuluniform, nur zum Sportunterricht trug jeder schwarze Shorts und ein graues T-Shirt. Sweatshirts, Hosen, Schals etc. konnte man kaufen und ich fühlte mich richtig gut und auch ein wenig stolz, die Pullis meiner Schule zu tragen. Es gab mehrere Events, bei denen die ganze Schule abends zusammen kam, um gemeinsam Spaß zu haben. Zum Beispiel hab es einen Dodge-Ball-Abend (ein Ballspiel, das man mit Völkerball vergleichen kann), an dem Lehrer gegen Schüler spielten.

Leider war ich zum Abschlussball nicht mehr in Amerika, aber zu Beginn des Schuljahres, gab es den zweitgrößten Ball des Jahres: Homecoming. Der Ball selbst war sehr schön und ich hatte das Glück ihn sehr klischee-mäßig zu erleben. So hatte ich ein Date und fuhr mit einigen Freunden in einer weißen Limousine erst essen, dann tanzen und schließlich auf eine „After-Party“. Auch die Woche vor dem Ball war voller School Spirit. Jeder Tag stand unter einem eigenen Motto und so kam ein Großteil der Schule am ersten Tag im Schlafanzug, am nächsten im Badelook usw. Ich hatte das Glück viele Freunde zu finden, zu denen ich immer noch guten Kontakt habe und von denen mich auch einige diesen Sommer in Berlin besuchen werden. Auch zu meiner Gastfamilie hatte ich eine sehr enge Beziehung und sie ermöglichten mir viele kleine Reisen, z.B. nach New York, L.A., San Diego und Boston.

Die so ziemlich einzige Situation, die ich nicht wirklich mochte, war Weihnachten. Amerikanisches Weihnachten ist wirklich überhaupt nichts für mich, wie ich feststellte und somit war in dieser Zeit das Heimweh ziemlich groß.

Als ich dann am 1. Februar meine Rückreise antreten musste, war ich natürlich glücklich, Familie und Freunde in Berlin wieder sehen zu können, jedoch war ich auch sehr traurig, meine „zweite Familie“ und meine neu gewonnenen Freunde in D.C. zurückzulassen.

Abschließend muss ich sagen, dass ich jedem, der die Chance zu einem Auslandsjahr hat, empfehle diese Möglichkeit zu nutzen, denn neben den Sprachkenntnissen, die man bekommt, sammelt man auch zahlreiche Erfahrungen und Freunde. In die Wald-Oberschule habe ich mich nach dem halben Jahr sehr gut wieder eingefunden und auch mit meinen Freunden ist der Kontakt gleich gut geblieben.

Alicia Wostal

Bethesda, Maryland

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