„Was?! HIER werden wir leben?! Woooow!“, das war das erste was ich und die 10 anderen Austauschschüler dachten, als wir unsere neue „Heimat auf Zeit“ zum ersten mal vom Flugzeug aus sahen. Grüne Wälder, große Seen und wunderschöne Häuser, alles umgeben vom stahlblauen Meer.
Alles kam mir vor wie im Traum, als ich letzten Sommer auf Vancouver Island im Süden Kanadas ankam. Doch zum Träumen blieb nicht viel Zeit, denn die Insel und vor allem der kleine Vorort der Stadt Victoria, in dem ich lebte, warteten nur darauf, von mir erkundet zu werden!
Ich lebte gemeinsam mit meiner Gastmutter, meiner ein Jahr jüngeren Gastschwester und deren Hunden und Katzen in einer einfachen, aber gemütlichen Doppelhaushälfte 5 Minuten vom See (Glen Lake) entfernt und zur Schule hatte ich es auch nicht so weit.
30 Minuten zu Fuß jeden morgen, für Kanadier ein Katzensprung und auch ich gewöhnte mich schnell daran, denn mein Weg zur Schule führte mich durch einen Wald, welcher im berühmten „Indian Summer“ in allen Farben leuchtete. Außerdem wuchsen am Rand wilde Brombeeren, mit denen meine Gastschwester und ich uns auf dem Weg zur Schule den Bauch voll schlugen.
Ich ging in die 11 Klasse der „Belmont Secondary School“ und belegte im ersten Halbjahr Englisch, Tourismus, Film&TV und Spanisch. Die Schule hat unglaublich viel Spaß gemacht, weil sehr kreativ und in Gruppen gearbeitet wird, wodurch ich schon nach ein paar Tagen Freunde gefunden hatte, die mich durch die ganzen 10 Monate begleiteten. Zusätzlich gibt es viele Clubs, denen man beitreten kann, um Anschluss zu finden.
Für mich stand von Anfang an fest, dass ich ins Ruderteam der Schule möchte, also stellte ich mich aufgeregt den so genannten Try-Outs und konnte mein Glück kaum fassen, als ich es tatsächlich ins Team schaffte. Von da an hatte ich dreimal die Woche nach der Schule Rudertraining und 1-2mal im Monat fand eine Regatta, also ein Wettkampf statt.
Mein persönliches Highlight der Saison war jedoch, als meine Freundin und ich Stadtmeister wurden. In dem Moment, in dem wir den Pokal entgegennahmen, fühlte ich mich komplett zu Hause und von da an war auch Heimweh für mich kein Thema mehr. Alleine schon, weil dazu keine Zeit blieb.
Ein Ereignis reihte sich ans nächste , besonders toll fand ich allerdings Halloween, was in Kanada groß gefeiert wird, alle kommen verkleidet in die Schule und machen sich schon Wochen vorher Gedanken über die Partys am Abend und natürlich ihre Kostüme. An meiner Schule gab es sogar einen Wettbewerb, bei dem Schüler mit den besten Kostümen Preise gewinnen konnten.
Es gab auch viele Überraschungen in meinem Austauschjahr. Zum Beispiel als ich eines Morgens aufwachte und wir eingeschneit waren. Denn eigentlich schneit es auf Vancouver Island nicht und es wird nur sehr selten kälter als 0 Grad. Aber auch den Massen an Schnee konnte man viel abgewinnen, denn statt zur Schule zur gehen (wir hatten 3 Tage Schneefrei), gingen wir Schlitten fahren, Schneemänner bauen und Schlittschuhlaufen auf den zugefrorenen Seen.
Als der Schnee dann taute, war es bereits Ende Januar und ein neues Halbjahr stand an, zu dem man alle seine Kurse wechselt, natürlich nicht, ohne vorher die „provincial exams“ zu schreiben, was eine Art Klausur in jedem Fach ist, mit der die Kanadier Punkte für ihren Abschluss sammeln. Dann hatten wir eine Woche frei, in der fast alle Urlaub machen und auch ich fuhr mit 2 Freundinnen zum Skifahren nach Mount Washington, ein beliebtes Skigebiet auf Vancouver Island.
Ein neues Halbjahr stand also an und diesmal belegte ich Geschichte, Mathe, Bio und Spanisch und dadurch, dass man komplett neue Klassen hat, lernt man wieder sehr viele neue Leute kennen, was echt toll ist, denn so kann nie Langeweile aufkommen.
Meine letzten 5 Monate in Victoria waren fast noch besser, als mein Start. Zu meinem Geburtstag im März wechselte ich in eine sehr sportliche Gastfamilie, die mit mir jeden Sonntag Ausflüge zum Wandern und Spazieren am Strand und in den Wäldern machte.
So verging die Zeit wie im Flug und kaum war der März vorbei, fing es auch schon an richtig warm zu werden und bereits im April fuhren meine Freunde und ich so oft es ging bei nun schon 25 – 30 Grad zum Schwimmen an einen der vielen Seen und alle begannen sich auf das wichtigste Ereignis des Jahres vorzubereiten: PROM!
Prom ist der Abschlussball der Kanadier und der Höhepunkt im Leben eines High School Schülers. Alle (und vor allem wir Mädchen) machen sich schon Monate vorher Gedanken über ihr Kleid, die passenden Schuhe und natürlich das Date, also wer mit wem hingeht. Traditionell muss natürlich der Junge das Mädchen fragen und seine Krawatte nach der Farbe ihres Kleides ausrichten.
Ich ging mit meinem damaligen Freund Max zum Ball. Der ging zwar nicht auf meine Schule, aber zu Prom können auch Schüler anderer Schulen, Colleges und die Lehrer kommen. So entsteht ein bunter Mix aus interessanten Leuten und der Abschlussball mit den dazugehörigen Fototerminen und Afterpartys war echt eines der schönsten Ereignisse meines Auslandsjahres!
Nach Prom näherte sich das Schuljahr rasend schnell seinem Ende und es folgten noch viele sportliche Wettkämpfe, Abschlussprüfungen und die wunderschöne „Grad ceremony“, bei der die Kanadier feierlich ihr Abschlusszeugnis überreicht bekommen und genau wie im Film ihre Hüte in die Luft werfen dürfen. Wir Austauschschüler hatten unsere eigene Zeremonie, bei der wir stolz auf das, was wir erreicht hatten und auch traurig, dass das Jahr zu Ende sein würde, unser Diplom überreicht bekamen.
Als ich mich dann am 30.Juni 2009 unter Tränen von meiner besten Freundin Sam (einer Kanadierin) verabschiedete, gab sie mir das mit auf den Weg: „There are no Goodbyes, there are only see-you-laters!“ Und deswegen fahre ich diesen Sommer wieder nach Kanada, um meine Freunde wieder zu treffen und, weil es die besten 10 Monate meines Lebens waren.
Marie Korthaus
Belmont Secondary School, Victoria, British Columbia 2008/09