Erfahrungsberichte aus Klofta

Klofta: Michelle G.

Am Ufer

Blick aufs Meer

Norwegische Fahne

Verrückt wie die Zeit vergeht. Jetzt bin ich schon drei  Monate wieder zurück in Deutschland  und es kommt mir vor als wäre ich nie weg gewesen. Und doch gleichzeitig als hätte ich mich erst gestern ins Flugzeug zurück nach Hause gesetzt. Ich heiße Michelle und war sechs Monate in Norwegen.  Nach 177 Tagen habe ich nicht nur gefühlte 293023829 Selfies gemacht, nein. Ich habe mindestens genauso viele Erinnerungen gewonnen und dafür bin ich unheimlich dankbar. Wenn man sich überlegt ein Austauschjahr zu machen, dann überlegt man lange was „das“ eigentlich bedeutet. Das-eine Lange Zeit von Familie und Freunde getrennt zu sein. Das- sich ganz alleine in einem neuem Land zu Recht zu finden. Das- neue Familie, neue Sprache, neue Schule. Ich hab lange überlegt, was ich eigentlich schreiben möchteund somit anderen SchülerInnen, die nach Norwegen gehen möchten, mit auf den Weg geben kann. Ich glaube, das Wichtigste ist sich darüber im Klaren zu sein, dass ein Auslandsaufenthalt Veränderung heißt.  Eine rapide, unerwartete, aber auch wunderschöne Veränderung. Es geht darum, dass alles, was dir vorher erzählt wurde über das Land, die Menschen, die Schule, falsch, aber dennoch wahr ist. Es handelt davon zu wissen wer du bist bis hin zu dem Moment, wo du absolut keine Idee mehr hast wer du bist. Denn auf einmal bist du ganz auf dich allein gestellt. Du bist ganz weit weg von allem, was vorher für dich eine Rolle gespielt hat und manchmal wirst du denken, dass du das alles nicht mehr schaffst. Aber das wirst du-  ganz sicher. Ein Auslandsjahr heißt zu vertrauen. Den Menschen zu vertrauen, die erst nur Namen auf einem Papier waren und dass diese Menschen sich kümmern und nur das Beste für dich wollen.  Und es geht um das Nachdenken,  immer,  über alles. Nachzudenken darüber, warum du jetzt eigentlich hier bist und nicht daheim, darüber wie es sein wird, wenn du wieder zu Hause bist und was du am Wochenende machst, ob irgendwer Zeit hat oder dich sogar zu sich einlädt. Darüber was deine Freunde und deine Familie zu Hause machen. Aber vor allem geht es um die Menschen. Die, die dich am ersten Schultag anschauen als wärst du ein Alien. Die, die sich nicht trauen dich anzusprechen. Und um die Menschen, die dich dann ansprechen, nach deinem Namen fragen und sich tatsächlich auch an ihn erinnern. Die deine Freunde werden, für dich da sind und dich ganz fest in den Arm nehmen wenn du mal Heimweh hast. Ich habe es keinen Moment bereut, ein Auslandsjahr zu machen.  Und vor allem nicht, dass ich mich für Norwegen entschieden habe. Norwegen ist ein Land, in dem ich mein zweites zu Hause gefunden habe. Ich kann jetzt noch stundenlang von all den Dingen erzählen, die ich erlebt habe. Einmal sind wir mit der ganzen Klasse übers Wochenende weg gefahren in einen Kletterpark und haben dort auch übernachtet. Aber nicht in Zelten, sondern draußen unter freiem Himmel. Ich habe noch nie in meinem Leben so gefroren. Und trotzdem war es ein Wochenende, an das ich unheimlich gerne zurückdenke. Denn in Norwegen wird auf Dinge wie Zusammenhalt sehr viel Wert gelegt. Deine Klasse ist sowas wie deine „Familie“. Klar es gibt ab und an auch die üblichen „Teenagerprobleme“, aber trotzdem halten alle zusammen und du bist wirklich nie alleine. Apropos Schule, die ist wirklich ganz anders als hier bei uns in Deutschland. Der Umgang und Unterricht ist sehr locker und mit dem Stoff generell hatte ich keine Probleme, da sich in Norwegen für alles doch sehr viel Zeit genommen wird und wir hier in Deutschland vom Stoff her um einiges weiter sind. Außerdem wird auf jeden persönlich Wert gelegt, so dass du als neuer Schüler nie hinten runter fallen wirst. Aber dennoch kann man nicht warten, dass die Menschen immer zu einem kommen. Man muss lernen sich zu öffnen, manchmal auch wirklich über seinen Schatten springen und einfach auch mal die Leute ansprechen, fragen was sie machen oder ob man sich dazu setzen kann. Eine große Hilfe besonders am Anfang war meine Gastfamilie. Mama, Papa und eine kleine Schwester. Ich hatte direkt ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen, aber auch hier ist es natürlich wichtig sich zu öffnen, denn dann erst kannst du wirklich ein Teil ihres Lebens werden. Und glaubt mir, es lohnt sich. Die drei sind ein Teil meines Lebens und werde es hoffentlich auch bleiben. Ich könnte noch unheimlich viel erzählen, vom andauernden Zelten, dem Abschluss der zehnten Klasse, bei dem durchweg alle geweint haben, weil die gemeinsame Zeit vorbei ist. Vom Rodeln und Ski fahren, vom Neujahrsball und so weiter. Aber das Wichtigste ist, dass man seine eigenen Erfahrungen macht. Für jeden, der überlegt nach Norwegen zu gehen,  ich kann es wirklich nur vom ganzen Herzen weiter empfehlen. Ich wurde unheimlich oft gefragt: „Warum ausgerechnet Norwegen?“. Diese Frage hab ich mir natürlich auch selbst oft gestellt und klar, es gibt Standardantworten wie:“ Ich mag die Mentalität dort und die Natur und die Sprache und und und.“ Und das alles ist auch wirklich wahr, ich liebe die Mentalität der Norweger. Diese Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, die jeder ausstrahlt, so als könnten sie kein Wässerchen trüben. Diesen verankerten Sinn für Gleichberechtigung und die Art, wie sie mit ihren Mitmenschen umgehen. Und ja ich liebe auch die Sprache, dieser Singsang, der ganz anders ist als Deutsch, aber doch in vielen Wörtern so ähnlich. Und klar ich bin auch super verliebt in die Natur. Wo andere nur sagen:“ Da sind doch bloß Bäume und Bäche“, sehe ich diese Ruhe, die du hier in Deutschland nirgendwo annähernd so finden kannst. Aber der eigentliche Grund, warum ich nach Norwegen gegangen bin, ist - es hat sich richtig angefühlt. Klar es gab auch schwierige Tage, an denen ich beim Bäcker stand und nicht mehr wusste,  was „Brötchen“ denn jetzt nochmal heißt, oder an denen niemand Zeit hatte und ich alleine zu Hause saß. Aber alles in allem war es wirklich eine Erfahrung, an der ich gewachsen bin und das kann mir niemand mehr nehmen. In 114 Tagen fahre  ich wieder zurück  und ja-  irgendwie zurück nach Hause.