Erfahrungsberichte aus Rangiora

Rangiora High School: Yoko S.

181 Tage am anderen Ende der Welt, 18579 km entfernt von zuhause – das klingt… lange? Schockierend? Zu weit entfernt? – Papperlapap! Man darf sich von solchen Zahlen nicht einschüchtern lassen. Ist man einmal in „Middle Earth“, fühlen sich 6 Monate ganz schnell wie 3 Wochen an und schwups ist man auch schon wieder im Arm seiner Freunde oder zuhause auf dem Sofa bei seiner Familie. Also: Hoch vom Sofa und ab ins Abenteuer! Eine einmalige und unvergessliche Chance im „Land der langen weißen Wolke – Aotearoa“ wartet auf euch!
So hieß es bei mir auch im Januar 2013: „Auf Wiedersehen, Germany! And Kia Ora New Zealand!“  (Kia Ora ist Maori, die Sprache der Eingeborenen, und heißt “hallo”). Aufgeregt, was mich auf der anderen Seite der Welt erwarten wird, aber auch noch etwas bange, so lange von Familie und Freunden getrennt zu sein, bin ich damals ins Flugzeug gestiegen. Zwar hatte ich zuvor schon an ein paar Austauschen von meiner Schule teilgenommen, doch waren diese nie länger als 1-4 Wochen. Wie auch bei vielen anderen Deutschen von iST, mit denen ich mich vor dem Abflug schon unterhalten hatte, kommen ganz natürliche Ängste auf wie: Was ist, wenn mich meine Freunde danach nicht mehr mögen? Oder: Oh Gott! Ich werde die Party von Freund/in XY verpassen!! – Dass solche Ängste im Endeffekt unbegründet bleiben, wird jeder schnell merken und sie sollten auch auf gar keinen Fall Gründe sein, die einen von solch einem Auslandaufenthalt abhalten! So, nun aber zu meinem kleinen Abenteuer in Neuseeland!  Nach einem anderthalb tägigen Flug kam unsere Gruppe deutscher Jungs und Mädchen von iST am Flughafen in Auckland an. Die Reise war zwar ziemlich ermüdend, kam einem jedoch nicht so lange vor wie gedacht, denn mit einer großen Gruppe geht die Zeit relativ schnell um, man redet viel, schaut ein paar Filme im Flugzeug und versucht, etwas zu schlafen (was bestenfalls auch für ein paar Stunden gelingt). In Auckland sind manche von uns bereits ausgestiegen, der andere Teil ist weitergeflogen nach Wellington, denn die sogenannte „preparation week“ findet an verschiedenen Orten Neuseelands statt. Die „preparation week“ ist eine Vorbereitungswoche, in der man zu zweit in einer Familie untergebracht ist und halbtags eine internationale Schule besucht. Sie dient dazu, sich in der neuen Umgebung einzuleben, sich an die Sprache und den „Kiwi Slang“ (den neuseeländischen Akzent), auch an das Klima zu gewöhnen und einen kleinen ersten Einblick in den neuseeländischen Alltag zu bekommen. Uns allen hat die Vorbereitungswoche super gefallen! Das Programm ist klasse – man unternimmt nach ein paar Stunden „Unterricht“ (Lernen von Kiwi Slang Vokabular und Spiele auf Englisch) gemeinsame Ausflüge, wobei man viel von Wellington, der Hauptstadt Neuseelands, zu sehen bekommt und hat nachmittags noch die Möglichkeit, in Kleingruppen die Stadt zu erkunden. Wir sind zum Beispiel an den Strand und Hafen gegangen oder waren auch mal shoppen. Danach ging es für jeden von uns weiter an den Ort, an dem wir die nächsten paar Monate verbringen sollten. Ganz aufgeregt fieberte ich auch auf den Moment hin, endlich meine „richtige“ Gastfamilie kennenzulernen! Ich kam in eine Familie mit einer neuseeländischen 16-jährigen Gastschwester Karis, meinen Gasteltern Su und Alan, einem Hund und einer Katze. Nur fünf Minuten zu Fuß waren es zu meiner Schule, der Rangiora High School, in der Nähe von Christchurch. Vielleicht gibt es einige unter euch, die noch abgeschreckt vom Erdbeben in Christchurch von 2011 sind – ich kann euch jedoch versichern, der Ort, in dem kürzlich ein größeres Erdbeben war, ist für die nächsten Jahrzehnte der sicherste. Darüber hinaus ist Christchurch und seine Umgebung, darunter Lyttelton und Akaroa, auf jeden Fall sehenswert, denn die Region von Canterbury hat eine wunderschöne Natur zu bieten und die Stadt Christchurch arbeitet eifrig an ihrem Wiederaufbau, das sieht man zum Beispiel an der Container City im Stadtzentrum. Nun mal etwas zum Schulalltag im Kiwi Land! Die Schule in Neuseeland unterscheidet sich in einigen Gesichtspunkten von der in Deutschland – angefangen mit dem Unterrichtsbeginn um 8:40 morgens bis hin zu – für uns exotischen - Mannschaftssportarten wie Netball oder Dragon Boating. Es ist echt angenehm, sich den Wecker mehr als 1 Stunde später zu stellen und auch nicht sofort mit Unterricht konfrontiert zu werden. ;) Denn bevor die 1st period beginnt, hat man eine sogenannte „form time“ – 20 Minuten im Klassenverband, in denen man sich mit seinen Freunden unterhält und der Lehrer ankündigt, was in den nächsten Tagen so alles ansteht – very relaxing!!  Den Unterricht an sich habe ich als nicht so anstrengend wie an meiner deutschen Schule empfunden, dazu trägt auch das gute und lockere Verhältnis zwischen den Schülern und Lehrern bei (oft wird mal „Sweet as, mate!“ zum Lehrer gesagt, was so viel heißt wie „Geht klar, Partner!“). Zudem ist die Fächerauswahl wesentlich breitgefächerter, als man es von hier gewohnt ist. So kann man beispielsweise Drama, Food Studies (Kochen) oder Animal Husbandry nehmen. Auch an Nachmittagsangeboten kann jeder teilnehmen – das ist echt zu empfehlen, man kommt dadurch super schnell in Kontakt mit neuen Leuten und es gibt auch viele, die die Sportart oder den Kurs auch zum ersten Mal ausprobieren, so habe ich zum Beispiel Dragon Boating und Dancing gewählt und es hat richtig Spaß gemacht! Die Umgewöhnung zur Schuluniform hat gar nicht lange gedauert, denn schnell lernt man es zu schätzen, dass jeder sozusagen gleich – und doch jeder anders ist. Dadurch, dass alle dasselbe tragen, wird kein Wert mehr auf das Äußere gelegt und man lernt die Mitschüler individuell und von Anfang an so kennen, wie sie wirklich sind und keiner geht mit Vorurteilen auf dich zu. Auch wenn das jetzt alles etwas kitschig klingen mag, kein Stück von dieser Erfahrung ist gelogen und back in Germany habe ich wirklich meine grünkarierte Schuluniform vermisst. Freunde finden dürfte bei den aufgeschlossenen und herzlichen Neuseeländern üblicherweise kein Problem sein! Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Schultag, als ich in meine form class kam, lauter unbekannte Gesichter vor mir – und mich eine Gruppe neuseeländischer Mädchen sofort ansprach mit „Hey! What’s your name?” oder mit „I love meeting new people! Where are you from?“. Auch mit den „internationals“, den internationalen Schülern dort, kommt man sehr schnell in Kontakt. Viele Schulen bieten ein sogenanntes „Outdoor Education Programm“ an, was ich wirklich jedem ans Herz legen kann! Man unternimmt alle 2 Wochen 1-4 Tage lange Ausflüge rund um die Nord- oder Südinsel und erkundet zusammen mit den Schülern aus allen Ländern der Welt – Italien, Norwegen, Japan, Amerika – Neuseelands schönste Orte.
Wer noch mehr Lust auf Abenteuer und Nervenkitzel hat, kann zudem noch aus Eigeninitiative mit Freunden kleinere Trips und Touren planen, das ist in Neuseeland mit günstigem Bustransfer gar nicht schwer. ;) iST und die Partnerorganisation NtoZ helfen einem auch immer dabei! Außerdem gibt es Nord- und Südinseltouren, die von verschiedenen Organisationen angeboten und in der Vorbereitungswoche vorgestellt werden. Die Nordinseltour war mein persönliches Highlight!!! Wir haben, bei immer noch sommerlichen Temperaturen im neuseeländischen Herbst, wahnsinnig faszinierende Seiten des Landes zu sehen bekommen, viele neue Freundschaften geschlossen und konnten an super Aktivitäten teilnehmen, wie zum Beispiel Bungy Jumping, Skydiving, Surfen und das Hobbit Set besichtigen! „So nebenbei“ verbessert sich auch das Englisch, was man unter Umständen gar nicht selbst merkt. Umso schöner ist es dann, wenn man von Kiwis so etwas gesagt bekommt wie: „Wie - du kommst aus Deutschland?? Das hört man ja gar nicht!“ Nun, leider kommt dann irgendwann auch die Zeit, in der man realisieren muss, dass der Aufenthalt im Land der Schafe, Vulkane, Geysire, Wasserfälle, Delfine, und der gastfreundlichsten und offensten Menschen langsam (oder eher rasend schnell) dem Ende zu geht…  Ein komisches Gefühl ist es dann vor allem, den Koffer wieder aus der Garage oder der Waschküche der Gastfamilie hervorzuholen und mit dem Packen anzufangen. Jedoch war das ganze bei mir auch mit Vorfreude auf meine Familie und Freunde verbunden! Denn wenn man mal für eine längere Zeit von ihnen getrennt ist, lernt man schnell, sie zu schätzen und ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich mit vielen auch nun besser verstehe als vorher. Natürlich ist es mir auf der anderen Seite schwer gefallen, mich von meinen neu gewonnen neuseeländischen Freunden zu verabschieden - man wird sich bewusst, dass man jetzt sozusagen ein „Doppelleben“ führt – eines davon zuhause, das andere auf der entgegengesetzten Seite der Welt, das parallel auch weiterläuft. Doch das schöne ist und bleibt der Gedanke, dass solche internationalen Freundschaften noch laaange, lange halten werden und man sich wieder besuchen kann.
Ich bin den Menschen, die ich dort kennengelernt habe, so dankbar für jede Erfahrung, die ich mit ihnen teilen konnte und stolz, nun sagen zu können, dass meine Zeit in Neuseeland mich auch persönlich weitergebracht hat. Man bekommt die Möglichkeit, seinen üblichen deutschen Alltag mal  komplett ablegen zu können und man ist bereit für jede Spontanaktion, jede neue Bekanntschaft - kurz: für alles Neue - und ich kann mit Sicherheit sagen: Ich hab es nicht bereut, denn die Erfahrungen prägen einen und die Zeit kann einem danach niemand mehr nehmen! Die Welt verändern heißt: Spuren nicht nur in der Seele zu tragen, sondern Spuren zu hinterlassen.  

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