Erfahrungsberichte aus Victoria

Melbourne: Isabelle Andree

Nach einem langen und anstrendem Flug um den 'halben Globus' kam ich endlich bei meiner damenbarttragenden Gastmutter in Melbourne an. Den ersten Tag habe ich allerdings so gut wie verschlafen, am zweiten Tag konnte ich meine Augen dann ganz gut aufhalten und mir mein Zuhause für die nächsten drei Monate mal genauer unter die Lupe nehmen. Meine Gastmutter hat mir erst den Weg zur Schule gezeigt und dann sind wir direkt mit der Tram Richtung City gedüst um das erste Geld auf den Kopf zu hauen. Nach einem kleinen Zwischenstop am Luna Park, ein kleiner Freizeitpark direkt am Strand, kamen wir endlich in der Stadt an. Ich stieg aus der Tram aus und bekam meinen Mund vor Staunen kaum zu. Ich stand in einer Stadt wie Melbourne?! Unglaublich. Die Hochhäuser, die vielen  verschiedenen Menschen auf den Straßen und vor allem, die Einkaufsmöglichkeiten! Mädels, nicht nur die Modemetropole zur Zeit, sondern auch das Shoppingparadies schlechthin. Leider blieb keine Zeit, sowie am zweiten Tag schon kein Geld mehr für größere Einkäufe übrig. Schließlich musste ich mir eine neue Handykarte, die Monatsfahrkarte, einen Adapter für die Steckdose und einen Internetstick zulegen. Trotzdem ging der Weg weiter nach Ikea, wo wir die typischen Hotdogs aßen und uns ein bisschen umsahen. Meine Gastmutter war zwar eine nette Frau, aber ich fühlte mich trotzdem nicht wohl dort. Nicht nur dass die Hygiene nicht stimmte, sie mich mästen wollte und sie einen Damenbart trug, sondern viel mehr, das sie mir nicht zu hörte und immer meinte zu Wissen was gut für mich wäre. Also beschloss ich mit einer Frau meiner Schule zu reden, einige Tage später stand ich bereits vor der Haustür fremder Leute um mich mal umzusehen. Noch am selben Abend packte ich meinen Koffer, der mir nach 1 1/2 Wochen schon um einiges voller erschien, und am nächsten Tag zog ich in ein neues Haus. In der neuen Familie wurde ich direkt herzlich aufgenommen und wurde gleich am ersten Abend zu einer Revanche des Fußballspiels Australien gegen Deutschland aufgefordert. Leider Gottes, verlor ich gegen meinen 13- Jährigen Gastbruder auf der X-Box haushoch. Nach einigen Tagen Training sah das Ganze aber schon anders aus. Genau wie mein "zweites neues Leben" in Australien. Familienleben pur, es ist immer was los und es wird gemeinsam gegessen und miteinander geredet. Nicht ganz so schön wart das Wetter Down Under, an manchen Tagen war es schön und sogar relativ warm. Doch an anderen Tagen trug ich drei Schichten T-shirts, den schicken grünen Pullover meiner Schuluniform, eine Fleecejacke und meine Winterjacke und fror trotzdem noch. Das kommt wohl davon, wenn man unbedingt im Winter nach Australien muss. Auch in der Schule ist es nicht gerade wärmer, ich habe den Eindruck bekommen, das die Australier nicht so viel von Heizungen halten. Aber auch ansonsten ist die Schule hier komplett unterschiedlich. Auf der einen Seite absolut streng und auf der anderen Seite total locker. Wenn man hier zu spät kommt, muss man im Sekretäriat den Grund seiner Verspätung nennen, sich eine Bescheinigung geben lassen und darf den Rest der Stunde nicht mehr in die Klasse, sondern muss eine Extraarbeit machen. Der Unterricht ist dafür im Gegensatz ziemlich locker, ob man mitarbeitet oder nicht, ob man redet, sitzt, steht oder rumläuft, ist den meisten Lehrern relativ egal. Im Sportunterricht wird man gefragt ob man mitmachen möchte oder nicht und wenn nicht, dann ist das auch nicht schlimm, dann setzt man sich einfach auf die Bank. Noten gibt es hier auch keine für die mündlich Mitarbeit, sondern in Australien werden nur am Ende des Schuljahres, welches in 4 Terms aufgeteilt ist, Examen über den Stoff des gesamten Jahres geschrieben. Auch das Verhältnis zu den Lehrern ist anders, dass man die Lehrer auf dem Flur nicht nur grüßt, sondern auch fragt wie es geht und was es so neues gibt und dabei "High Five" macht, scheint hier relativ normal zu sein, jedenfalls an meiner Schule. Auch mit der Schuluniform sieht man es Gott sei dank nicht ganz so eng. Ein hässlicher grüner Pullover, eine schwarze Jeans und schwarze Schuhe sind vollkommen okay, wobei die Mädchen eigentlich einen schwarzen Faltenrock tragen sollen und alle ein weißes Hemd unter dem Pullover. Aber niemand sagt was, wenn man es nicht trägt oder die Mädchen eine Hose. Eine wiederrum etwas strengere Seite ist das mit den Taschen. Jeder Schüler hat einen Spint, in den alle Sachen rein müssen, denn Taschen dürfen nicht mit in die Klassenräume. Man darf, besser gesagt muss einen Block, ein Etui, sowie die Bücher für die nächsten zwei Stunden dabei haben. Außerdem muss jeder Schüler immer sein ' Diary' mitbringen, das ist eine Art Hausaufgabenheft, das jeder Schüler von der Schule kriegt. In diesem ist auch eine Art 'Klopass' , denn hier ist das nicht ganz so einfach wenn man mal auf die Toilette muss, denn dann muss man erst den Lehrer fragen, der einem eine Unterschrift geben muss und anschließend muss man zum Sekretäriat gehen und sich die Toilette aufschließen lassen. Auch wenn das alles nicht so wahnsinnig toll klingt und ein 'Klopass' eher abschreckend, liebte ich die Schule und ging gerne hin. Vielleicht ist es, dass die Schule erst um 9 Uhr anfängt und man jeden Tag eine Stunde Mittagspause hat, vielleicht deshalb, weil man hier viele interessante Leute aus vielen Ländern kennen lernt, vielleicht auch, da man nicht wirklich arbeiten muss, sondern sich unterhält und selber unterrichtet - Deutsch. Ich mag es einfach gerne und fühle mich wohl. Auch wenn es nicht so ist wie daheim, die Schulstunden hier 48 Minuten lang sind und der Tag nicht um 3 Uhr endet, sondern um 15:03 Uhr, es ist toll und all diese Unterschiede machen es besonders und spannend. Hinzu kommt noch, das die Australier nicht wirklich was am Nachmittag oder am Wochenende unternehmen. Viele haben einen kleinen Job oder müssen was für die Schule tun. Auch deswegen ist die Schule so wichtig, denn man trifft hier die Leute und das Leben spielt sich in der Schule ab. Am Wochenende unternehme ich eher was mit den anderen Gastschülern oder meiner Gastfamilie. Spontan entschlossen fuhr ich mit Freunden aus Deutschland und Belgien, sowie meinem brasilianischem Gastbruder nach Healsville in eine Art Zoo mit australischen Tieren. Das ganze klingt leichter gesagt als getan und wenn dir ein Australischer Bahnangestellter die Auskunft gibt, dass das Ganze leicht und schnell zu erreichen sei, sollte man sich über die besondere Definition der Australier im klaren sein. Denn plötlzlich sitzt man nach 1 Stunde und 25 Minuten Zugfahrt in einem Dorf, in dem der Bus nur noch alle 2 Stunden fährt. Nachdem man sich dann sicherheitshalber mit etwas Proviant ausgestattet hat sitzt man in einem Linienbus und fährt eine weitere Stunde mit 80 km/h rein ins Nirgendwo und wird dann an der Endstation rausgelassen. Zum Glück waren wir dann auch im Prinzip direkt vorm Eingang und für umgerechnete 8 € konnten wir Kangoroos, Emus, Wombats, Koalas, sämtliche Schlangen und andere Tiere ganz schön nah begutachten und fotografieren. Gute 5 Stunden und etwa 200 Bilder später traten wir den langen Heimweg an, was im dunkeln etwas beunruhigend ist, denn der Busfahrer kommt ab und zu mal ein bisschen von den Straßen ab. Trotzdem war es ein toller Trip mit aufregenden Eindrücken und durch die Fahrt zu dem Park haben wir immerhin auch mal mehr vom Landesinneren gesehen und die wahre Weite Australiens kennen gelernt. Ebenso viel Weite von Australien oder besser gesagt Melbourne habe ich vom Eureka Tower gesehen, dem höchsten Gebäude Melbourne's. Von außen schon ein beeindruckendes Gebäude und von oben noch viel besser. Mit dem Aufzug bin ich die 88 Stockwerke innerhalb von 36 Sekunden hoch geschossen. Mit ordentlich Druck auf dem Ohr stieg ich mit meinen 'Internationalen' Freunden aus dem Aufzug. Schon der erste Blick war beeindruckend und die weiteren noch viel mehr. MIt der Kamera ausgestattet konnten wir eine Runde drehen und die ganze Stadt begutachten. Unglaublich! Ein wahnsinniger Ausblick für nur 9 Dollar. Wieder unten sind wir bei wunderbarem Wetter am Yarra River in Richtung City spaziert. Später sind wir dann noch zum 'Queen Viktoria Market' gegangen, bei dem es das ein oder andere Schnäppchen zu ergattern gab. Alles in allem ist ein Trip nach Australien oder auch ein längerer Aufenthalt das Beste was einem passieren kann. Die Menschen hier sind einfach wahnsinnig freundlich und locker drauf, wenn du in einen Shop kommst wirst du gefragt wie es dir geht und wie dein Tag war. Es sind viele Dinge anders hier, damit meine ich nicht nur den Linksverkehr, an den man sich auch erstmal gewöhnen muss. Das multikulturelle oder künstlerische, sondern auch das Leben allgemein, das 'easy going', das "Thank you!" durch den Bus rufen wenn man aussteigt oder das es nicht 'Coffee to go' sondern 'Coffee takeaway' heißt , wofür ich schon herzhaft ausgelacht wurde, da niemand verstanden hat was genau ich wollte.

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